Be still , and know that I am God.
Psalm 46.10
Ich habe mal im Schwimmbad mein Kind verloren. Also so richtig. Nicht nur kurz aus den Augen verloren, sondern so, dass fremde Menschen und sämtliche Bademeister nach ihm gesucht haben. Wenn man Mütter in zwei Kategorien teilen würde, dann würde ich mich recht eindeutig nicht zu den gechillten zählen, die ihren Kindern auch in der Nähe von Wasser ihre Freiheiten lassen.
Auch wenn ich mir wünschen würde, es wäre anders und auch daran arbeite, habe ich meinen Nachwuchs gerne in Reichweite, mit Sichtkontakt. Und am liebsten bis zum Wassersicherheitscheck mit Schwimmflügeln ausgestattet. Ich gebe nur deshalb so viel von mir Preis, um die Moral der Geschichte besser zu verstehen.
An diesem besagten Sommerabend habe ich mich nämlich nur ganz kurz umgedreht, um die Badetücher in die Tasche zu packen und schon war mein 5 jähriger weg. Als ich es bemerkte, schweifte mein Blick erst mal nur leicht genervt zum Sandkasten, dann zum Kinderbecken und dann noch einmal rundherum. Dann stellte ich die Badetasche wieder ab und machte mich auf den Weg zur Toilette. Genervt Level 2. Ich wollte eigentlich nur nach Hause. Nachdem ich auch dort nicht fündig wurde, lief ich zurück zu meiner Ältesten und schickte sie zum Spielplatz, um nachzusehen, während ich zu den grösseren Schwimmbecken lief. Und jetzt wich meine Genervtheit der Angst. Sie breitete sich wie Nebel in den Bergen ganz schnell in meinem Körper aus und wurde noch dichter, als ich erfuhr, dass auch die Suche meiner Tochter erfolglos geblieben war. Ich nahm sie an der Hand, damit ich nicht am Ende auch noch mein zweites Kind verlieren würde und fragte alle Badegäste, die wir antrafen nach ihm. Die meisten halfen ohne zu zögern bei der Suche mit. Mittlerweile war ich nur noch panisch und die Tränen flossen ungehemmt. Ich konnte doch nicht mit einem Kind weniger nach Hause. Wie sollte ich das meinem Mann erklären? Die Verzweiflung bereitete mir körperliche Schmerzen zu und ich wusste nicht, wie lange ich noch aufrecht gehen konnte. Nach einer gefühlten Ewigkeit sah ich einen der Bademeister draussen vom Parkplatz her kommend mit meinem Sohn an der Hand. Zum Glück war in der Nähe ein Stuhl, auf den ich mich setzen konnte und es war, als würde ich mich in meine Einzelteile auflösen. Noch nie in meinem Leben war ich so erleichtert. Der Bademeister tätschelte mir, leicht überfordert angesichts einer schwangeren, hysterischen Mutter, den Arm: “Machen Sie sich keine Vorwürfe. Das kann jedem passieren.”
Dieser gut gemeinte Zuspruch kommt mir nun öfters in den Sinn. Es stimmt, das kann jedem passieren. Diese Begebenheit bekommen deshalb nur eine Handvoll treue Blogleserinnen zu hören, weil sie ein gutes Ende genommen hat. Wäre unsere Geschichte anders verlaufen, hätten deutlich mehr Menschen über die Medien daran teilgenommen und nicht nur der Bademeister hätte empört gefragt: “Wo war denn seine Mutter?” Deshalb möchte ich in Zukunft vorsichtiger sein, wenn ich ähnliche Vorkommnisse beurteile.
Ein flüchtiger Moment kann dein Leben grundlegend verändern und hat mir einmal mehr auf schmerzliche Art und Weise gezeigt, dass ich unmöglich alles unter Kontrolle haben kann. In Situationen, in denen ich denke, das Leben entgleitet mir, wird mir erst bewusst, dass ich es gar nicht oder nur sehr beschränkt in den Händen halte. Diese Tatsache kann extrem beängstigend sein. Oder ein Befreiungsschlag in eine ungeahnte Freiheit.
Und so übe ich das Eintauchen in dieses Vertrauen, in seine vollkommene, göttliche Führung. Meine Kinder helfen mir enorm in diesem Prozess. Immer wieder merke ich, wie ich beim Übergeben der Zügel ja schon lange Krämpfe in den Fingern habe, weil ich sie viel zu lange verbissen festgehalten habe. Die Abstände, in denen sie sich erholen können, werden Gott sei Dank immer länger.
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