Übertreibung

“ Es gibt zwei Arten, sein Leben zu leben:

  entweder so, als wäre nichts ein Wunder,

  oder so, als wäre alles ein Wunder. “

                                         Albert Einstein

Dass ich zu Übertreibungen neige wurde mir erst in den letzten Jahren so richtig bewusst. Nach meinen blumigen Ausführungen über meinen Familienalltag bekam ich nicht selten ungebeten Tipps und Tricks, wie ich die Probleme besser meistern könnte. Menschen mit einem ausgeprägten Appellohr fühlten sich gedrängt, mir ihre kompetente Hilfe anzubieten, um mich aus dem Schlamassel zu befreien. 

Oder ich werde nicht ganz ernst genommen. Denn so schlimm wie es tönt kann es ja fast gar nicht sein.

Mein Liebster hingegen bleibt meistens gänzlich unbeeindruckt mir gegenüber. Das mag unter anderem daran liegen, dass er in Sizilien aufgewachsen ist und die Einwohner dieser wunderschönen Insel ja nicht unbedingt für ihre gefühlsmässige Zurückhaltung bekannt sind. Er ist sich also ein gewisses Mass an Theatralik gewohnt. Ich liebe unter anderem genau diesen opulenten Lebensstil der Sizilianer. Von allem Guten viel. ( Den Aspekt “ food waste “ bitte vollständig ausblenden. )

Ich bin der Meinung, diesen Hang zur Dramatik kann man durchaus auch positiv nutzen. So halte ich meine Begeisterung für die atemberaubend schöne Schöpfung auf einer Wanderung nicht zurück. Wiederholungen inklusive. Diese Euphorie erreicht meine zwei Grossen aber emotional nur bis zu einem genervten Augenrollen. Verständlich auch, leben sie doch in der ständigen Ungewissheit, ob sie diesen langweiligen Ausflug überhaupt überleben werden.

Um Missverständnissen aus dem Weg zu gehen, werde ich mich wohl in Zukunft bemühen, mich etwas näher an die Wahrheit zu halten, wenn ich aus meinem Nähkästchen plaudere.

Ausser bei allem Schönen, in Glücksmomenten, am Meer, wenn ich ein frisches Brot aus dem Ofen nehme, in den Bergen, wenn ich gute Musik höre oder bei allen übrigen kleinen Wunder im Alltag. Da werde ich mich weiterhin unverhältnismässig freuen.